Von mittelalterlichen Meistern, Märkten und Minderheiten
Schüler begeben sich auf Spurensuche in Regensburg
Die gesamte 13. Jahrgangsstufe machte sich am ersten Schultag nach den Herbstferien auf nach Regensburg, um dort zusammen mit ihren GPG-Lehrkräften historische Quellen aus dem Mittelalter nicht wie sonst im Schulbuch zu analysieren, sondern vor Ort selbst zu suchen. Dabei erkundeten die Schüler in Kleingruppen – ausgestattet mit von den Lehrkräften bereitgestellten Informationsmaterialien – zunächst eigenverantwortlich die Altstadt, um anschließend für ihre jeweiligen Klassen einen thematischen Stadtrundgang zu gestalten, in dem die individuellen Ergebnisse zusammengeführt wurden.
Die Schüler der F13G gingen mit Herrn Vollath den vielfältigen kulturellen Leistungen des Mittelalters in Regensburg nach. Im Zentrum ihres Rundgangs stand natürlich der Dom, der als gotisches Bauwerk Anlass zu einer näheren Auseinandersetzung mit der Architektur des Mittelalters gab. Besonders beeindruckend waren die Glasmalereien des Doms, die zu den wenigen erhaltenen Beispielen aus dem Hochmittelalter zählen und von unschätzbarem kulturellen und historischen Wert sind. Diese leuchtenden Kunstwerke ermöglichten einen faszinierenden Einblick in die Symbolwelt und Handwerkskunst des Mittelalters.
Nicht weniger spannend war der Besuch der Kirche St. Emmeram, wo sich die Schüler zusammen mit Herrn Vollath mit den Darstellungen von Heiligen beschäftigten. Diese kunstvollen Figuren boten den Schülern einen lebendigen Zugang zur Glaubenswelt des Mittelalters. Ein weiterer Höhepunkt des Rundgangs der Gestalter war die Stiftskirche Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle, die das berühmte Gnadenbild der Maria aus den Jahren 1230/40 beherbergt. Auch im Stift Niedermünster beeindruckte die Gruppe die „Schwarze Madonna“. Diese Mariendarstellung wurde im Detail betrachtet und eröffneten den Schülern einen tiefen Einblick in die religiösen Ausdrucksformen jener Zeit. Besonders eindrucksvoll war das Schottenportal, ein Meisterwerk romanischer Kunst, dessen teils groteske und „sündige“ Figuren von der mittelalterlichen Faszination für das Abnorme und Exotische zeugen. Ebenso wie die dämonischen Wesen am Hauptportal des Doms illustrieren diese Darstellungen, wie Kunst und Architektur des Mittelalters dazu dienten, religiöse Lehren, moralische Warnungen und volkstümliche Vorstellungen bildhaft in Stein zu meißeln.
Die Klassen F13Sb, F13IT und F13WG von Frau Reichenberger und Frau Gambel wandelten auf den Spuren jüdischer Geschichte in Regensburg. Am Dom entdeckten die Schüler als Zeugnis mittelalterlichen Antisemitismus die sogenannte Judensau – strategisch an der Seite des Doms angebracht, die dem ehemaligen jüdischen Viertel zugewandt ist, sollte das steinerne Relief die Juden, die ihr Viertel verließen, herabwürdigen. Die Klassen setzten sich vor Ort kritisch mit der Frage auseinander, wie mit solchen Darstellungen in der Gegenwart umgegangen werden sollte.
Ein weiteres erschütterndes Symbol für den mittelalterlichen Antisemitismus fanden die Schüler in den jüdischen Grabsteinen, die in Hausfassaden der Regensburger Altstadt verbaut wurden. Mitglieder des Stadtrats und Regensburger Eliten verwendeten die Grabsteine nach der Vertreibung der jüdischen Gemeinde und Schändung des jüdischen Friedhofs im Jahr 1519, um sie demonstrativ in ihren Hauswänden zu verbauen – ein Ausdruck ihres Stolzes auf die Beteiligung an den antisemitischen Gräueltaten. Am Neupfarrplatz, wo sich bis 1519 das mittelalterliche jüdische Viertel und die Synagoge befanden, lenkten Frau Reichenberger und Frau Gambel die Aufmerksamkeit der Klassen auf die Erinnerungsarbeit der Stadt. Ein Kunstwerk von Dani Karavan markiert den Standort der zerstörten Synagoge und lässt die Konturen des Gebäudes sichtbar werden. Neben der Mahnung an die Vergangenheit sorgten jedoch auch die angebrachten antiisraelischen Schmierereien an einem solchen historischen Ort für lebhafte Diskussionen unter den Schülern über aktuelle Formen von Antisemitismus.
Den Abschluss ihrer Spurensuche bildete der Besuch der neuen Synagoge, die genau 500 Jahre nach den mittelalterlichen Pogromen in Regensburg eingeweiht wurde. Schüler und Lehrkräfte bestaunten die im Eingangsbereich angebrachte Visualisierung von Rose Ausländers Gedicht „Gemeinsamkeit“, das ein Symbol für Versöhnung und Zusammenhalt ist. Gleichzeitig sorgte der sichtbare Polizeischutz für die beklemmende Erkenntnis, dass Juden in Deutschland auch heute noch vielfältigen Anfeindungen ausgesetzt sind.
Herr Reitmeier beschäftigte sich zusammen mit den Schülern der Klasse F13Sa mit Regensburg als Handelsmetropole des Mittelalters. Ausgehend vom Dom besichtigten die Schüler das Haus Heuport, eines der wichtigsten Patriziergebäude im Mittelalter, bevor es durch die pittoresken Gassen, die oftmals nach mittelalterlichen Berufen benannt sind (Kramgasse, Wollwirkergasse), zu weiteren imposanten Gebäuden der Patrizier aus dem Mittelalter ging. Am Baumburger Turm sahen die Schüler einen mittelalterlichen Rundbogen im Mauerwerk. Dieser diente als Loggia, in der die Kaufleute ihre Waren zur Schau stellten. Der 28 Meter hohe Turm brachten den Schülern den Reichtum und die Italianità der mittelalterlichen Handelsmetropole Regensburg näher. Auch die ganz in der Nähe angesiedelte Wahlenstraße (als Wahlen oder Welsche wurden Menschen bezeichnet, die aus dem Süden kamen) legt Zeugnis davon ab, dass in Regensburg Kaufleute lebten. Dies ist die älteste Straßenbenennung Regensburgs und beweist, dass dort vermutlich Kaufmannsgeschlechter aus Italien lebten. Im Kern der mittelalterlichen Fernhandelsstadt reihten sich die Patrizierburgen mit ihren Türmen eng aneinander. Hier ragt auch der höchste Hausturm, der Goldene Turm, gen Himmel. Stilistische Merkmale sowie eingemeißelte Steinmetzzeichen lassen vermuten, dass diese Türme von Steinmetzen der Dombauhütte geschaffen wurde – ein weiterer Hinweis auf die Finanzkraft und damit auch der Bedeutung der damaligen Hausbesitzer. Am Alten Rathaus sahen die Schüler dann “Schuh, Elle und Klaffter”, die mittelalterlichen Längenmaße und Maßsystem der Freien Reichstadt Regensburgs, das bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gültig war. Von dort ging es hinunter zur Donau, wo an der Holzlände Holz für das sich stetig im Bau befindliche Regensburg angeliefert wurde und wo am Fischmarkt seit mindestens 1529 Fische verkauft wurden. Stadtauswärts Richtung Westen, wo zahlreiche Straßennamen wie Weißgerbergraben oder Lederergasse noch an verschiedene Zünfte erinnern. Den Schülern fiel sofort auf, dass, je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernte, der Prunk der Gebäude nachlässt. Im mittelalterlichen “Industriegebiet” war vom Reichtum des Stadtzentrums nur noch wenig zu spüren.
Am Ende des Tages wurde deutlich, wie viel mittelalterliche Geschichte noch heute in jeder Ecke Regensburgs steckt – von den Meistern ihrer Kunst, den Märkten der mittelalterlichen Handelsmetropole bis hin zum Schicksal der jüdischen Minderheit, die in Regensburg Spuren hinterließen, die noch Jahrhunderte später sichtbar sind.
Text und Bilder: Richard Vollath, Florian Reitmeier, Michaela Reichenberger, Marleen Gambel